Neben den zahlreichen Medienbeiträgen zum sechsten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 strahlt das ZDF heute Abend zur ‚Prime Time‘ auch eine Dokumentation über die so genannten „Verschwörungstheorien zum 11. September“ aus, die sich als alternative Deutungsmuster fest im öffentlichen Diskurs etabliert haben.

Zunächst zu den positiven Aspekten der Sendung: Anders als die überwiegende Zahl der meisten Beiträge etablierter Medien über die „911-Verschwörungstheorien“ ist die Dokumentation im Ton erfreulich sachlich: Das heißt, es erfolgen nicht die gewohnten Pathologie- und Psychatrisierugsunterstellungen (Paranoiker, Verschwörungsjunkies, Apokalyptiker etc.), Beleidigungen (so bezeichnete beispielsweise Hans Leyendecker Andreas von Bülow in einem Radiointerview als „Psychopathen“), Ausschwitz-Leugner-Vergleiche („Die September-Lüge“) und dergleichen, sondern man konzentriert sich tatsächlich vornehmlich auf das Argumentative in „Mythos und Wahrheit“.

Leider, um zum Negativen zu kommen, ist diese Argumentation in ihrer Gesamtheit in vielerlei Hinsicht eher mangelhaft. Dies ist vor allem durch die Zielsetzung der Produzenten und Macher bedingt, die schon im Vorfeld klarmachen, wie das Èrgebnis der „Wahrheitsprüfung“ ausfallen soll: So sagte der ZDF-Haushistoriker und Produzent der Serie, Guido Knopp, im Vorfeld, dass es Zielsetzung der Dokumentation sei, die im Internet kursierenden Verdächtigungen und Verschwörungstheorien zu entkräften, was nicht gerade als vorurteilsfreie Herangehensweise bezeichnet werden kann.
Diese Haltung schlägt sich auch deutlich in der Dokumentation nieder. Entsprechend der geäußerten Zielsetzung Knopps werden Erklärungen gesucht, die den Verschwörungstheorien widersprechen und die offizielle Darstellung stützen. Der Beitrag ist so aufgebaut, dass zunächst bekannte „verschwörungstheoretische“ Thesen wiedergegeben werden, wie beispielsweise die Sprengung der WTC-Gebäude oder die Theorie, dass eine Cruise-Missile ins Pentagon eingeschlagen sei (also eher die spekulativen VTs), um diese anschließend durch vermeintliche Experten und Fakten zu entkräften.

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Erst der „Mythos“, dann die „Wahrheit“: „Verschwörungstheoretiker“ Andreas von Bülow und „Luftwaffenexperte“ Stephen Trimble

Das resümierende Resultat mündet demnach wenig überraschend in der Bekräftigung der „Inkompetenztheorie“, wie die offizielle Darstellung der Ereignisse vom 11. September 2001 von einigen Akteuren aus dem „verschwörungstheoretischen“ Lager ironisch bezeichnet wird: Die USA wurde von den Angriffen überrascht, das entstehende Chaos, habe eine effektive Luftabwehr verhindert uswusf.

Denoch hat auch die Doku „Mythos und Wahrheit“ im Rahmen ihrer Recherchen eine Verschwörung ausgemacht, die allerdings nach dem 11. September 2001 stattgefunden habe. In der Presseerklärung bekundet Michael Renz, Regisseur der Dokumentation, dass man während der Recherche „auf eine Mauer des Schweigens“ (deren Darstellung in der Sendung selbst leider sehr knapp abgehandelt wird) gestoßen sei. Durch Tricks und Nichtkooperation seitens des Pentagon und der betroffenen Airlines sei es unmöglich gemacht worden, die entsprechenden Flugzeugtrümmer zu zeigen, mit denen man den Verschwörungstheorien den Wind aus den Segeln habe nehmen wollen. Diese Verschwörung nach 911 wird jedoch nicht als Infragestellung der offiziellen ‚Überraschungstheorie‘ betrachtet, sondern als deren Bekräftigung: Man habe sich nicht verschworen, um die Täterschaft, sondern um die eigene Inkopetenz zu kaschieren (wobei sich die einfache Frage stellt, welche Art von Inkompetenz man denn durch Vorenthalten der Flugzeugtrümmer verbergen will).

Unterm Strich also eine formal sachliche, aber inhaltlich nach den bewährten Mustern verfahrende Medienproduktion über die „Verschwörungstheorien zum 11. September“, die ähnlich wie die bisherigen medialen Beiträge über „Verschwörungstheorien“ eine Art Theodizee praktiziert, mit der die offizielle Theorie und die massenmediale Deutungshoheit bezüglich 911 gegenüber der großen Zahl von Skeptikern und Abweichlern legitimiert und verteidigt werden soll. Bemühungen übrigens, die im Großen und Ganzen von den Kollegen vom Fach wie z.B. bei der FAZ oder der taz (mit kritischem Ansatz der tagesspiegel) mit Wohlwollen honoriert werden.

karlstadt