Auf Spiegel-Online ist heute ein bemerkenswerter kleiner Artikel zu finden, der sich, so der Titel, mit den „Gesammelten Widersprüchen“ Oskar Lafontaines befasst. Diese „Widersprüche“ wurden laut SPON von „fleißigen SPD-Mitarbeitern“ gesammelt, die Lafontaines ‚doppeltes Wirklichkeitsbewusstsein‘ zu entlarven suchten.

Dass der Spiegel diese vermeintlichen Widersprüche als „Lafontaines Vorher-Nachher-Show“ hämisch wiedergibt und auflistet, bezeugt einmal mehr, wie es um das journalistische Niveau dieses einstigen Sturmgeschützes bestellt ist: Nicht nur, dass diese Liste ohne jegliche Kritik wiedergegeben wird (und z.B. ohne einen Hinweis auf die zahlreichen Widersprüche der Partei auskommt, der die eifrigen Sammler verpflichtet sind), der/die Autoren des Artikels sind sich nicht einmal zu blöd, auch noch stolz darauf hinzuweisen, dass sie diese „Idee“ mit den „Gesammelten Widersprüchen“ schon wesentlich früher hatten als die SPD-Genossen.

Bemerkenswert sind auch die vermeintlichen „Widersprüche“ an sich, deren bemühte und dillettantische Konstruiertheit einem auf den ersten Blick ins Auge strahlt und die z.T. weder logisch sind, noch inhaltlich zusammenpassen (oder z.B. aus Aussagen bestehen, die 20 Jahre auseinanderliegen). Hier nur ein schlagendes Beispiel:

EINERSEITS
„Wir können auf die ständig steigende Lebenserwartung nicht mit immer kürzerer Lebensarbeitszeit reagieren.“

ANDERERSEITS
„Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist eine staatlich verordnete Rentenkürzung.“

Man muss kein Philosoph sein, um zu sehen, dass hier ein durchsichtiger Scheinwiderspruch konstruiert wird. Die anderen „Widersprüche“ der Oskar-Show folgen diesem Muster oder listen unspektakuläre und banale Inkosistenzen auf, wie sie im politischen Alltagsgeschäft gang und gäbe sind. Kurz gesagt: hier werden einer langen Tradition folgend Splitter im Auge des politischen Gegners gesucht, um von den Balken im eigenen Auge ablenken zu können. Indem der Spiegel diese peinliche Diskreditierungsstrategie mal wieder mit der Zuverlässigkeit eines ‚offiziellen‘ Regierungsorgans öffentlichkeitswirksam transportiert, gibt er sich einmal mehr als das zu erkennen, was er im Kern ist: Ein medialer Legitimations- und Propagandapparat etablierter politischer Macht.

karlstadt