Am Dienstagabend in der TV-Sendung Kerner stand der Fall Eva Herman auf dem Programm. Die Zuschauer erlebten den „besten“ Kerner, den es je gab.
Anschaulich zeigte der gelernte Journalist zusammen mit seinen Gästen, wie schnell journalistische Distanziertheit dem Primat der Meinungskonformität untergeordnet wird.
Eigentlich wäre es Kerners Aufgabe gewesen, die Problematik um die Äußerungen von Herman, dass Mütter zur Nazizeit einen höheren gesellschaftlichen und staatlichen Stellenwert gehabt hätten als in den heutigen, postmodernistischen Verhältnissen, zu beleuchten. Stattdessen wurde ein Pranger- und Steinigungsjournalismus geboten, der einmal mehr die Qualität mainstreammedialer journalistischer Arbeit in Frage stellt.
Zusammen mit Senta Berger, Margarete Schreinemakers, Mario Barth und Geschichts-Fachmann Wolfgang Wippermann, wurde Herman für ihre umstrittene Äußerung in die Zange genommen. Dabei verließen jedoch alle Beteiligten rasch den Kurs von Argument und Gegenargument, und generierten durch ihre mimische, gestische und semantische Äußerungen zu einem boulevardesken Ketzergericht unter den Augen von gut 2,6 Millionen Zuschauern.
Das Verhalten von Kerner und Co gibt den Blick frei auf ein grundlegendes Prinzip, nach dem das journalistische Feld aber auch Gesellschaft funktioniert: Konformität wird belohnt, Nonkonformität wird – von Ausnahmen abgesehen – sanktioniert. Das Plädoyer für ein konservatives Frauenbild, das Herman jüngst in zwei Büchern gehalten hat, tritt der Konformität des aktuell vorherrschenden Zeitgeistes in Bezug auf die Rolle der Frau (Neusprech: Familienmanagerin) entgegen. Heftige Reaktionen des Mediensystems sind die Folge, da die Medien prinzipiell immer auch ein Produkt des Zeitgeistes sind, ihn transportieren und vertreten, ihn paradoxerweise miterzeugen und sich deshalb in der Regel ‚zeitgeistkonform‘ verhalten.
Problematisch: Genau genommen ist die Auseinandersetzung über Hermans Äußerungen zur Nazizeit nichts anderes als eine „Camouflage-Taktik“. Ihr wertkonservatives Verständnis hat bereits für Entrüstung gesorgt, allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Ihre Äußerungen zur Nazi-Zeit bieten aber eine weitaus bessere Angriffsfläche, da durch einen Bezug zum NS-Regime (egal wie dieser nun auch gemeint ist oder zusammenkommt) sich eine Stigmatisierung erster Klasse erzeugen lässt. Das ist zwar einerseits gut, weil dadurch eine Sympathisierung, Beschönigung oder Verharmlosung über das schreckliche Kapitel der deutschen Geschichte bereits im Kern kenntlich gemacht werden kann, es ist andererseits jedoch höchst problematisch, wenn das ‚Du-Nazi-Stigma!’ zu einer Waffe des gesellschafts-politischen Zeitgeistes umfunktioniert wird, um im Allgemeinen politisch unliebsame Meinungen zu brandmarken. Beispielhaft wurde das Prinzip von den bürgerlichen Medien an den so genannten 9/11- Skeptikern vorgeführt, die plötzlich, weil sie an den Terror-Anschlägen ihre Zweifel ausdrückten, mit Ausschwitz-Leugnern auf eine Stufe gestellt wurden.
Konkret auf den ‚Fall Herman’ bezogen: Das allzu eifrige verteufeln der ehemaligen Tagesschau-Moderatorin von Kerner und Co, durch ein journalistisch und menschlich fragwürdiges Verhalten, hinterlässt ein zweifelhaftes Bild. In der Sendung inszenierten sich Kerner, Berger, Schreinemakers und Barth als aufrechte Kämpfer für Demokratie. Zieht man aber in Betracht, dass es doch nicht nur darum geht, sich gegen Nazis stark zu machen, sondern dafür zu sorgen, dass von deutschem Boden nie mehr Faschismus ausgeht, dann ist die mediale Selbstdarstellung der „Kerner-Leute“ und Herman-Gegner erheblich zu relativieren. Im Prinzip gilt für Kerner und Co das alte Bibelwort: „Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders aber erkennst den Balken in deinem eigenen Auge nicht.“ Die merkwürdige Passivität von Kerner und Co bezüglich der Ausbreitung von präfaschistoiden Strukturen durch den Aufbau einer bundesweiten Überwachungsinfrastruktur sowie das laute Schweigen im Zusammenhang mit dem recht seltsamen „Kampf gegen den Terror“ sind als „Balken im eigenen Auge“ zu identifizieren. Doch zu diesen Problemen hört man von den „treuen Wächtern“ der Demokratie nur ein verhaltenes Konsensschweigen – schließlich will man sich ja politisch korrekt verhalten.
Bud Spencer